Das Bermudadreieck, ein Seegebiet zwischen Miami, Bermuda und Puerto Rico, trägt seit Jahrzehnten den beunruhigenden Beinamen „Friedhof des Atlantiks“. Der Ausdruck rührt von der Vielzahl an Schiffs- und Flugzeugunglücken, die sich in diesem Areal ereignet haben sollen – viele davon unter mysteriösen Umständen. Die Vorstellung, dass hier auf unerklärliche Weise ganze Besatzungen verschwinden, hat nicht nur Seefahrer und Piloten beschäftigt, sondern auch Generationen von Autoren, Wissenschaftlern und Verschwörungstheoretikern.

Die moderne Legende begann spätestens in den 1950er- und 60er-Jahren, als Berichte über verschwundene Flugzeuge wie der berühmte Fall „Flight 19“ – eine Gruppe von fünf Bombern der US Navy, die 1945 während eines Trainingsfluges spurlos verschwand – für Aufmerksamkeit sorgten. Hinzu kamen Berichte über Handelsschiffe, die ohne Notruf verschwanden, Segelyachten, die verlassen aufgefunden wurden, oder Piloten, die von plötzlichen Navigationsproblemen und bizarren Wetterphänomenen berichteten.
In der öffentlichen Wahrnehmung wurde das Bermudadreieck mehr und mehr zu einem Ort des Unerklärlichen: Magnetstürme, Unterwasser-Pyramiden, außerirdische Aktivitäten oder gar Zeitverschiebungen wurden diskutiert. Dabei verstärkte die populäre Literatur die Mythenbildung erheblich – insbesondere durch Bücher wie „The Bermuda Triangle“ (1974) von Charles Berlitz, der dem Phänomen einen pseudowissenschaftlichen Rahmen gab und die Vorstellung vom „Atlantischen Friedhof“ global verankerte.
Wissenschaftlich betrachtet allerdings gibt es für das angebliche Massensterben im Bermudadreieck keine stichhaltigen Belege. Analysen von Versicherungsunternehmen, der US-Küstenwache und Ozeanographen zeigen, dass die Anzahl an Schiffs- und Flugzeugverlusten dort nicht signifikant höher liegt als in anderen vielbefahrenen Meereszonen. Vielmehr spielen natürliche Faktoren wie plötzliche Wetterumschwünge, starke Strömungen, tropische Stürme, Methangas-Ausgasungen am Meeresboden oder menschliches Versagen eine weitaus größere Rolle bei vielen dieser Vorfälle.
Und dennoch hält sich der Mythos hartnäckig. Das liegt auch daran, dass das Bermudadreieck nicht nur ein geographischer Ort ist, sondern längst ein kulturelles Symbol – ein Platz, an dem rationale Erklärung und rätselhafte Überlieferung aufeinanderprallen. Für die einen ist es ein ganz gewöhnliches Seegebiet mit überproportionalem Mythos, für die anderen ein Fenster in das Unerklärliche.
Ob das Bermudadreieck tatsächlich als „Friedhof des Atlantiks“ bezeichnet werden kann, hängt also weniger von harten Fakten als vom Blickwinkel ab. Aus nautischer Sicht gibt es gefährlichere Meereszonen, etwa vor Kap Hoorn oder in den Gewässern rund um Südostasien. Doch als Projektionsfläche für das Unheimliche hat das Bermudadreieck bis heute kaum Konkurrenz – ein Ort, der Furcht, Neugier und Staunen zugleich auslöst.